Träume nach Maß

Träume nach Maß

An diesem Morgen hatte Gisela S. den Lockruf ihres Weckers im Halbschlaf abgeschaltet. . Das immer dringlicher werdende tüt-tüt-tüt ---- tüttüttütüt.. sollten ihren schönen Traum nicht zerstören..

Sie war, das wusste sie genau, durch eine wunderschöne alte Stadt gegangen, überall Torbögen, Kolonnaden, saubere breite Straßen und auf einem Hügel mitten in der Stadt eine Burg Alles weitläufig, erhaben und zugleich vertraut.. Die Morgensonne streute ihren Glanz über Häuser und Gärten, ein seltenes Wohlbehagen durchdrang ihren Körper, irgendwo in der Ferne war Musik..Plötzlich stand sie vor einem Haus, das mit einem schönen schmiede-eisernen Symbol zu etwas GOLDENEM einlud , und obgleich sie nicht erkennen konnte, ob es ein Löwe oder Bär oder gar ein Elefant war, der als kleine Facette inmitten des Symbols stand, wusste sie, dass sie hier einkehren musste. Kurz vor dem Haus war ihr eine ältere Frau entgegen gekommen und hatte gesagt, dass die Eröffnung dieser einmaligen Gaststätte erst im April erfolge, aber, so hatte sie freundlich hinzu gefügt, sie könne sich das Haus ruhig einmal von innen ansehen, vom Rondell gelange man in die verschiedenen Räume, einer immer schöner als der andere.

Da hatte sie sich bedankt und war in das Haus gegangen. Und weil kein König Blaubart ihr verboten hatte, ein ganz bestimmtes Zimmer zu betreten, hatte sie einfach an der linken Tür gleich neben dem Eingang geklinkt und sich alsbald in einem Raum befunden, der ihr sehr gefiel, die Bilder an den Wänden, Porträts,waren es Künstler? . Und wieder hatte sie dieses Glücksgefühl, stärker noch als zuvor. Ein Lied, ein wunderschönes Lied, eine alte Weise , sie hatte sich umgesehen, kein Lautsprecher . Nun wollte sie die Bilder von Nahem ansehen, blieb stehen, da kam Charles Aznavour auf sie zu - gerade wollte sie ihn etwas fragen, da war sie aufgewacht, hatte automatisch den Wecker abgestellt

Also unter die Dusche und dann Frühstück .. Eiersalat ist noch da von gestern Abend. Der Besuch hatte wenig gegessen, der Mayonnaise wegen,vornehmlich aber seiner Galle misstraut ; und der Goldsohn, für den recht eigentlich die Schüssel so reichlich gefüllt war, stand im Stau und sein Hunger blieb ungestillt. Umkommen darf aber nichts, also opfert sich Gisela und sinnt bei einer Tasse Dallmeyer PRODOMO noch ein wenig dem schönen Traum nach.

Dann tritt sie ans Fenster. Vom 6.Stock im Hochhaus sieht man bis hin zur Peißnitz und zum Heiderand . Junges Grün an den Sträuchern spitzt schon die Ohren. Ein zarter Schleier vorerst, aber man weiß es:"Das Frühjahr kommt, wach auf du Christ, und wer noch nicht gestorben ist, der macht sich auf die Socken nun."Das gilt nicht nur für " Mutter Courage", heute ist Dienstag, also ein Besuch auf dem Arbeitsamt fällig, Da heißt es, sich hübschen, wie 5O sieht sie nicht aus, dennoch, man hilft nach wo man kann. Attraktivität ist gefragt. Erfahrung ? Nun ja, die manchmal auch..

Ein Blick in den Spiegel . Zufrieden?. Eigentlich ja.Ach so, das Bandmaß muss sie mitnehmen. Nicht um die millimetergroßen Chancen für einen Arbeitsplatz zu messen, nein, das nicht. Auf dem Wege zum Arbeitsamt will sie noch etwas erledigen, sie hat es ihren Leutchen vom "Bürgerladen "versprochen..

In der Straßenbahn, wenn die Türen automatisch auf und zugehen, wird sie erneut an den Traum erinnert. Es prickelt, aber sie kommt nicht drauf, was sie so wunderbar angenehm berührt hat, als sie in den Raum trat. Hingen da nicht Bilder, oder waren es Lampions wie beim Laternenfest? Irgendwas Heiteres und geheimnisvoll wie früher beim Pfänderspiel. Unsinn, sie ist Realist, bequeme Schuhe und mit beiden Beinen auf der Erde . Träume sind Schäume .Schön wär´ s natürlich, wenn sie endlich mal wieder richtige Arbeit hätte.. Die letzte ABM -Stelle ist vor mehr als einem Jahr abgelaufen und die Lebenshaltungskosten sind durch " halbierte Preise" keineswegs gesunken, im Gegenteil, der Euro zeigt sich für die Kleinen als harte Währung, T-wie Teuro!.

Das Leben geht weiter. Am Markt steigt sie aus, geht die Gr. Ulrichstr. entlang bis zur Spielstätte vom neuen Kabarett. Sie nimmt ihr Bandmaß aus der Tasche und beginnt zu messen, Breite und Höhe der Tür des Fahrstuhls, das zu den "Kiebitzen" führt, also dem Kabarett in der zweien Etage. Das dauert. Sie holt ihr Notizbuch aus der Tasche, vergleicht , ist sich wohl ein bisschen im Zweifel, prüft ihre Zahlen und das Ergebnis der Messung erneut und bemerkt dabei nicht, dass ihre Arbeit das Interesse eines gut aussehenden mittelalterlichen Herrn auf sich zieht.

Er sieht sie an, betrachtet die Tür und dann wieder sie, hegt aber keine Befürchtung, dass sie zwischen den Pfosten stecken bliebe. Im Gegenteil, gut proportioniert, ein bisschen Bauchspeck vielleicht , aber sonst ...doch das dachte aber sagte er nicht. Nur, ob sie ihm vielleicht verraten könne, was sie da mache, ließ er sich nun deutlich vernehmen..Sie wiederum meinte, , man könne es sehen: Sie messe die Breite der Tür.Ja, sagte er, das sieht man, aber wozu.?Danach habe er bisher nicht gefragt, aber sie will es ihm gern erklären, wenn er seinerseits den Schleier lüftet und sagt wer er ist. Da verweist er darauf, dass er der Chef des Hauses, also des Kabaretts, ist. ..Wenn es so ist, will sie gern mit ihm reden. Sie misst nämlich, ob die Tür breit genug ist, damit ihre Rollstuhlfahrer vom "Bürgerladen" Halle-Neustadt mit ihren Rollstühlen durch die Tür in den Fahrstuhl und somit zu einer Vorstellung ins Kabarett gelangen können. .Das freut ihn , doch er betont auch , dass sie sich darum keine Sorgen machen müsse, die Türen sind passgerecht, und die Rollstühle alle gleich groß. - Sind sie nicht, - - sind sie doch- sind sie nicht- sind sie doch. Bitte, sie kann sich gerne mal ansehen, ob man bei der Rekonstruktion des Hauses vielleicht nichts für die Rollstuhlfahrer getan habe, eine Behinderten -Toilette gibt es auch. Sie geht mit, und darf staunen. Ja, es sind noch mehr Neuerungen geplant, hier entsteht etwas Besonderes.. Das kostet allerdings einiges, aber was möglich ist, machen wir selber. Viel Arbeit. Natürlich. .

Nun stehen sie beide im Vorzimmer. Da fällt es ihr ein. als hätte sie auf "Wiederherstellen" gedrückt , alles war gespeichert, wahrscheinlich mit SchreibschutzDer Traum, Bilder, - Lampions - es sind Plakate von Künstlern, die zu Gastspielen eingeladen sind. Bunt und lustig. Einige davon kennt sie, Kabarett, das war schon immer ihr Hobby, keine Vorstellung hat sie versäumt.Und nun bleibt sie ihrem "Computer" nichts schuldig. Schaltet zur rechten Zeit auf das richtige Format und fragt ganz einfach:
"Wenn Sie doch soviel Arbeit haben, ..könnten Sie vielleicht Hilfe gebrauchen.? " Natürlich spürt sie, wie das Herz klopft, da gibt es schon kleine Unterschiede zum Laptop. Der Chef lässt sich Zeit, sieht sie noch einmal an und sagt:" Ja, wir suchen jemand der zupacken und mitdenken kann, sind Sie denn frei?." ."Wie ein Vogel im Walde "sagt sie, " und was das Zupacken und Mitdenken angeht, sie würde es gern mal wieder beweisen."Gut denn, , wenn es so ist, soll sie anderen Tages zur selbigen Stunde in sein Büro kommen" und deutet auf die linke Tür "da reden wir weiter".Und also geschah es; Mit einem Arbeitsvertrag gültig ab 1.April 2OO4 in der Tasche verließ sie das Haus. Haleluja!, Da ist wieder die Musik, jetzt hört sie es deutlich..Nach all den Jahren ein "Traum!" Und das Ergebnis allen Arbeitsuchenden aufs Innigste zu wünschen! Arbeitenkönnen, dazugehören, nicht auf Unterstützung angewiesen sein, selber verdienen - das Wohlgefühl hinter der Tür...!

Es ist eine wahre Geschichte. Hin und wieder passiert es, dass einer Glück hatEin Einzelfall. Leider nicht verallgemeinerbar.

Da jiepern und piepern die Einen um 18 Prozent, 4 Monate Sommernachts traum, um ein Stück vom Kuchen und ein paar Ministerposten zu erringen. Und das merkelt nun auch der Geringste unter den Gläubigen: Zum Olymp stoibert der krachlederne Bayer, wie Halali klingen seine Sprüche zu Pfingsten den in das reiche Deutschland Vertriebenen. Wiederbelebung der Träume!Und der Amtierende? Wovon kann der Kanzler denn schon träumen?. "Hier will ich rein, hatte er gesagt, und nun singt er es mit Stentor - Stimme: So schön. wie heut, so soll es bleiben. .." Da man ein Kind war und die Finger trommelnd auf die Tischkante legend das schöne Spiel spielte: Alle meine Täubchen fliegen..... hoch, dachte man vielleicht noch an Friedenstauben. Lange her.Die Zeiten ändern sich:! Träume nach Maß:(Käthe Seelig)

Eine Geschichte von: Lesefink

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