Rocky mit seinen Podhalaner auf einer Zeitreise
So etwas gibt es auch nicht alle Tage, dass man einen Zeitsprung macht und sich hautnah im Mittelalter wiederfindet, umgeben von fröhlichen, mit altertümlichen Gewändern bekleideten, Menschen. Bei dem schönen Wetter herrschte in der alten Hansestadt dichtes Gedränge in den schmalen Straßen und engen Gassen.
Frauen mit alten Trachten schlenderten Arm in Arm über den Marktplatz, sie trugen mit bunten Bändern verzierte Hüte und Schnürstiefel oder grobe Holzsandalen als Fußbekleidung; einige standen auch plaudernd vor einem Marktstand, die Hände fest auf ihre aus Reisig geknüpften Einkaufskörbe gestützt.
Die Marktfrauen, hinter den Auslagen, hatten ihre Haare unter farbigen Kopftüchern verborgen und großflächige Schürzen vorgebunden. Junge Mädchen mit wallenden Kleidern und Zopffrisuren tanzten barfüßig Ringelreihen um einen Brunnen.
Abenteuerlich gekleidete Männer waren zugegen, sie hatten Hosen aus Sackleinen an und der restliche war Körper mit Tierfellen behangen. Die Füße steckten in klobigen Holzpantinen und riesige Schlapphüte bedeckten ihren Kopf. Einige trieben Gänse und Schafe durch die engen Straßen. Ein Bauer, mit Strohresten im Haar, zog einen Leiterwagen mit Steckrüben über den Platz. Alles verlief ruhig und friedlich, es war ein schillerndes Bild eines mittelalterlichen Jahrmarktes.
Aber wieso war ich da in so ein buntes abenteuerliches Treiben geraten? Die Erklärung ist relativ einfach.
Haselünne, die älteste Stadt im Emsland, feierte ihren alle zwei Jahre wiederkehrenden Korn- und Hansemarkt. Kaufleute, Händler, Musikanten und Gaukler mit historischen Gewändern, waren zu diesem Wochenende eingeladen, um alles zeitgemäß zu gestalten.
Zur Eröffnung des Festes gab es einen Gottesdienst unter sonnigem Himmel in plattdeutscher Sprache. Am Nachmittag fand ein festlicher Umzug der Markleute statt und viele schaulustige Bürger säumten den Weg des Festzuges. Auf mehreren Bühnen lockte ein abwechselungsreiches Programm, sowie mittelalterliches Zirkusvergnügen und gewandete Spielleute und Blasmusikanten sorgten für die nötige Kurzweil.
Doch eine alte Marktordnung besagt, dass an diesen Tagen beim Eintritt in die Stadt, an allen Stadttoren Zoll zu entrichten ist, es dient wohl dazu, das Stadtsäckel zu füllen. Allerdings hat man die Regel etwas gelockert, denn nur Besucher ohne historische Gewänder müssen beim betreten der Altstadt ihren Obolus entrichten.
Was lag da also für mich näher, als die eigenen Beinkleider der alten Zeitepoche anzupassen, um mich mit meinen beiden Podhalaner-Rüden in die Menschenmenge zu begeben. Durch eines, der eigens für das Fest erstellten Stadttore, passierten wir mit einem freundlichen Wink und Kopfnicken der Zolleintreiber. Das Wetter war sonnig und wie für das Fest geschaffen und so konnten wir zum Fest auflaufen.
Selbst bei meinen Hunden bemerkte ich, dass ihnen das ungewohnte Stadtbild suspekt war. Die altertümliche Bekleidung mutete für sie wie eine Vermummung, was erst mal ihren Argwohn erweckte. Sie hoben witternd ihre Nasen, denn nicht nur der Geruch war fremd, es roch für sie bestimmt penetrant nach Mottenkiste. Mein 12- jähriger Teddy entspannte sich schnell und nahm nach kurzer Zeit alles gelassen hin, nur der einjährige Endros hätte am liebsten die klappernden Holzschuhe näher untersucht, denn so einen Krach machten doch sonst nur Pferdehufe vor einer Kutsche. Doch genau so, muss sich das bunte Treiben im Mittelalter auf den Jahrmärkten zugetragen haben, allerdings ist die heutige Geräuschkulisse eine ganz andere wie früher.
Auch ich hatte mein Outfit geändert, doch die Hunde sind bei ihrem Herrchen Rocky an so einiges gewohnt, so leicht bringt sie nichts mehr aus der Ruhe. Nach alter Sitte der Gorale hatte ich mich so gut es ging in einen Schafhirten der Tatra verwandelt. Zum Knotenstock kam ein weißer Blouson mit traditionellem Schäferhut. Die Schultern bekleidete eine weiße gestrickte Wollweste, welche aus den gesponnenen Haaren meiner Hunde gefertigt war. Mein Teddy verkörperte mit seiner Schulterhöhe von 75 Zentimetern den absoluten Arbeitshund der Berge, er trug zwei Packtaschen aus geflochtenen Weidenzweigen auf seinem Rücken, natürlich ohne weiteren Inhalt und Ballast. An Endros Hals, baumelte an einer Lederschnur, eine kleine Kupferglocke, welche bei jeder Bewegung lustig bimmelte. Das ist zwar in der Hohen Tatra alleine einigen Schafen in der Herde vorbehalten, doch in der Altstadt sorgte allein schon der auffallend helle Glockenklang für einen Hingucker.
An sich wollte ich nur einmal quer durch die Stadt zum anderen Stadttor, doch die vielen Fragen zu meinen "Weißen Riesen" machten daraus eine zweieinhalbstündige Zeitreise durch die Vergangenheit.
Als Fazit habe ich für mich festgestellt, alles war im Mittelalter bestimmt nicht schlecht und die Hektik von heute stand damals bestimmt außen vor. Ich habe viele nette Menschen an diesem Tag getroffen und alle waren voll des Lobes für dieses gelungene Fest.
Hey Rocky,
echt gute Geschichte geschrieben.
Könntest Dich ja mal als Verfasser von Kurzgeschichten bei Deiner Tageszeitung melden.
So etwas würden die garantiert einstellen.
Viele Grüße
Christoph