Besuch aus Afrika,

Eine Hommage an die Natur
(mit Fortsetzung und Schluß)
Das Amselmännchen protestiert mit einem lauten „schuck – schuck – schuck“ gegen meine Anwesenheit und unterstreicht sein Mißfallen jedesmal mit einem heftigen Schwanzwippen: Was will dieses menschliche Wesen schon so frühmorgens hier am ersten Moordamm! Ich muß ihm recht geben und verhalte mich ganz ruhig in meinem Gartenstuhl. Nur den verräterischen Pfeifenrauch kann und will ich nicht vermeiden.
Dichter Morgennebel hat bislang das Blickfeld auf knapp 20 Meter eingeengt und mich frösteln lassen. Jetzt lichtet er sich allmählich und läßt die Konturen von Baum und Strauch langsam deutlicher werden. Erste Sonnenstrahlen bringen die Tautropfen an den senkrechten Zweigen der Kopfweiden zum Glitzern, wie Perlenketten, die oben im Nebel enden. Am zerfurchten Stamm turnt eine Weidenmeise. Das Gras auf der anderen Seite des Bilsbekbaches ist gut gewachsen und liegt da wie ein sattgrüner Teppich.
Ungefähr 100 Schritte entfernt zeichnet sich am Schlehdornknick ein Hase allmählich schärfer ab. Ich habe schon längere Zeit beobachtet, wie er sich am überreichlichen Grün gütlich tut und dabei ab und zu die Tautropfen aus seinem Fell schüttelt. Vom „Kleinen Gehege“ herüber knörrt ein Kolkrabe. Für meinen Geschmack etwas zu eindringlich in dieser morgendlichen Stille. Einige Krähen halten mit lautem Gequarre dagegen und gaukeln dabei ziellos über der Wiese hinter dem Knick. Als wollten sie sagen: wenn hier einer laut werden darf, dann nur wir!
Die Sonne wirft erste Schatten und läßt den Stamm der Kiefer hinter dem Stacheldrahtzaun rot aufleuchten. Es scheint ein schöner Tag werden zu wollen.
Der Hase wird etwas lebhafter in seinen Hoppelsprüngen zwischen den Freßpausen und trottet schließlich auf der Spurbahn in Richtung Bilsbekbrücke, nicht ohne hier und da noch an einem Grasbüschel zu naschen. Anscheinend ist das sein frühmorgendlicher Weg zum Taglager im Dickicht des Unterholzes. Daß er dabei die Brücke als bequemen Übergang über die Bilsbek bevorzugt, ist verständlich, denn mit vollem Bauch springt es sich bekanntlich nicht gut über einen Bach.
Arglos hoppelt er weiter und ist bis auf zwei Meter an mich herangekommen. Plötzlich hält er inne: da ist doch etwas, was er nicht einordnen kann! Ich kneife die Augen halb zu, denn Tiere mißtrauen dem Menschen vor allem wegen seiner großen Augen, hat mir einmal jemand gesagt.
Halb in der Hocke sitzt der Hase jetzt da und fixiert mich. Nichts an ihm rührt sich, nur die Schnupperhaare zucken etwas nervös. Ich verhalte mich ebenfalls absolut ruhig und drücke den Pfeifenkopf in die Handfläche, um jeden aufsteigenden Rauch zu vermeiden. Hasen sehen nicht besonders gut und können erst an der Bewegung ihres Gegenüber feststellen, ob ihnen eventuell eine Gefahr droht. Und eine Gefahr will ich nicht sein, also spielen wir beide jetzt sozusagen „MIKADO“: wer zuerst etwas bewegt, hat verloren.
Eine halbe Minute vergeht, vielleicht auch schon eine ganze, und nichts passiert. Eine Bachstelze in ihrem vornehmen schwarz-weißen Gefieder läuft zwischen uns durch und setzt über zum Zaunpfahl auf der anderen Bilsbekseite. Hinter mir im Birkengehölz flötet der Pirol sein hohles „düdiolio“.
Mein Freund hat sich jetzt richtig hingesetzt, läßt mich aber nicht den Bruchteil einer Sekunde aus den Augen. Mir zittern allmählich die Hände, denn es ist immer noch recht frisch, und das merkt man besonders, wenn man sich nicht bewegen darf.
Plötzlich kommt Leben in das Tier: Der Hase steht halb auf und streicht sich mit der Fote über einen Löffel, beäugt mich noch einmal kurz und schüttelt mit dem Kopf, als will er sagen: Das ist ja `ne komische Gestalt! Dann dreht er sich um und hoppelt schließlich ohne jede Hast und mit hocherhobenem Hinterteil in Richtung Habichtshorst. (siehe Fortsetzung).

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