Glücksmomente

  • Glücksmomente

    Von Suffade am 17. August 2024 um 14:48

    Glücksmomente

    Im Tanz-Café hoch über der Stadt. Ein großartiger Abend mit Live-Musik aus den Swinging-Sixties neigt sich dem Ende zu. Zum Schluss spielt die Band einen Song, dessen Melodie zunächst steil anstieg, um dann mit den letzten Tönen in ein: „… bye, bye …“ wieder abfallend mit einer genialen Kadenz zu Ende zu gehen.

    Ein Mann steht am Geländer der Terrasse, abseits der Bühne vor dem Lokal im Halbdunkel, nippt am Drink, wippt mit dem Fuß im Takt. Sein Blick gleitet durch die Menge, vorbei an Sommerkleidern, nackter Haut, schwitzenden Gesichtern. Die Luft vibriert.

    Die Frau im roten Kleid, die eben noch unter dem Funken verspiegelter Kugeln tanzte und begeistert zum Beat steppte, verließ mit kleinen Schritten das Lokal in die kühlende Nachtluft.

    Nur ein Moment.
    Da sieht sie ihn.
    Und er sieht sie.
    Der Moment, indem sich sein Körper spannt.

    Der Moment, in dem ihr Kopf zur Discokugel mutiert, ihre Augen Blitze in den Nachthimmel schießen. Glanz und Gloria. Ein bunter Film taucht die Welt in alle Farben. Ein Bild, über das sie normalerweise die Augen verdreht.

    Über ihnen tausend Sterne, unter ihnen die Stadt mit tausend Lichtern. Sie sitzen auf der Brüstung über dem Abhang, trinken süßen Wein aus der Bouteille. Sein Lächeln ist warm. Wärmer als vieles in den letzten Jahren. Er sagt, sein Lieblingssong sei „Imagine”, irgendwie bringe der ihn zur Besinnung. Sie sagt, ihrer sei „Big Boys Bickering“, ein Protest-Song der aufrüttelt.

    Mit jedem Schluck werden die Fragen intensiver.
    Woher kommt die Traurigkeit in deinem Blick?
    Woher kommt dein Leuchten?

    Sie erzählen sich Dinge, für die es noch zu früh ist. Dinge, die sie bei einem ersten Treffen nie erzählt haben. Weil sich das nicht gehört. Jetzt fühlt es sich richtig an.

    Er spricht von Zerwürfnis und Zwist, dort wo er zu Hause ist, dass er deshalb umher reist. Auf der Suche nach dem richtigen Ort. Und dass diese Stadt vielleicht der richtige Platz ist. Er sagt, er sei glücklich.

    So was hat sie lange nicht gehört. Sie glaubt ihm. Sie vertraut ihm an, dass sie oft glaubt, sie sei schwierig. Weil andere es gesagt haben. Aber jetzt, hier, in diesem Moment, in dieser vertrauten Dunkelheit, in dem er sie sieht und spürt, da weiß sie, dass das gar nicht stimmt.

    Die Lichter hinter ihnen gehen aus. Das Berühren in der Dunkelheit hat etwas Eigentümliches. Geistiges. Sie fühlen, dass man auch in der Dunkelheit zu Hause ist. Sie rauchen. Das Aufglimmen der Zigarette, das regelmäßig ihre Gesichter erhellt, verleiht ihren Köpfen eine seltsame Glorie. Die Nacht ist die Zeit der Gefühle und Ahnungen, der Träume und des Rauschs. Dabei verschwinden die festen Grenzen, so auch jetzt.
    Wer sagt denn, dass Träume immer grau sein müssen?

    © story by ferdinand
    © photo by alejandra-quiroz-unsplash

    Puppenspielerin antwortete vor 1 Jahr, 3 Monaten 2 Mitglieder · 1 Antworten
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