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75 Jahre Hitler-Attentat: Die Kirchen haben versagt
Die Kirchen in Deutschland haben während des Nationalsozialismus im Widerstand grandios versagt. Davon ist der Historiker Wolfgang Benz (Berlin) überzeugt. Er sagte im Interview mit der Augsburger Allgemeinen anlässlich des 75. Jahrestags des Hitler-Attentats am 20. Juli: Christlicher Widerstand kam von Einzelpersonen, aber nicht von der Amtskirche.
Er sehe es zudem mit einem gewissen Unbehagen, wenn am 20. Juli ausschließlich an Oberst Claus Schenk Graf von Stauffenberg er hatte die Strippen für das Attentat auf den Diktator am 20. Juli 1944 gezogen und die kleine Gruppe um ihn erinnert werde, die unendlich spät, zu spät, nur noch eine symbolische Tat begangen hat. Denn darüber gehe der Blick aufs Ganze verloren. Widerstand habe es in allen Bevölkerungsschichten gegeben. Die konservativen und geistigen Eliten bildeten das Schlusslicht, so Benz. Es gehe darum, alles das in einem Geschichtsbild unterzubringen und die Fraktionen des Erinnerns zusammenzuführen.
Was Widerstand war
Nach 1945 hätten praktisch alle behauptet, sie seien irgendwie dagegen gewesen, aber man habe halt nichts machen können. Dazu Benz: Das war eine Legende. Regimekritischen Austausch mit Freunden zu pflegen, auf die man sich verlassen konnte, sei auch noch kein Widerstand gewesen: Widerstand war, wenn man aus der Erkenntnis heraus, dass das NS-System verbrecherisch war, eine Änderung herbeiführen wollte durch Propaganda oder durch Hilfe für Verfolgte, durch Verweigerung des Wehrdienstes, durch aktive Tat wie den Tyrannenmord oder durch Planungen für ein besseres Deutschland nach Hitler, die die Beseitigung Hitlers voraussetzen.
Das sei barbarisch vom Regime geahndet worden. Der Widerstand sei untrennbar mit einer hohen Selbstgefährdung verbunden gewesen, betonte Benz. Eine stillschweigende Mehrheit sei von den Anfangserfolgen der Hitler-Regierung nachhaltig begeistert gewesen und habe die von der Propaganda verkündeten Erfolge geglaubt. Die Erkenntnis, dass das mit Verbrechen einherging, sei bei den vielen national Empfindenden, den Offizieren, Rechtsanwälten und Professoren zu spät gekommen. Die Eliten im Dritten Reich seien zuvor nicht demokratisch sozialisiert worden.
Und auch wenn man den Nationalsozialismus etwa aus katholischem Glauben heraus ablehnte, so sei man doch so erzogen worden, dass man nicht die Hand gegen das Regime erhob. Ferner kritisiert Benz die AfD. Es sei bestürzend, wie schnell und absichtsvoll man da das Rad der Geschichte zurückdrehen wolle in die Zeiten des Nationalstaates und des Nationalismus, die unwiederbringlich vorbei seien: Wir leben in einer globalisierten Welt, müssen entsprechende politische Verhaltensweisen entwickeln.
Twdore
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