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Mai 1998 – Arnhemland: Schlamm, Rauch und Freiheit
Wir waren tief im Arnhemland, dort, wo der Busch atmet und der Schlamm Geschichten erzählt. Zwei Menschen, ein Zelt, ein Boot – und der Hunger nach einem neuen Abenteuer.
Unser Lager stand auf einer kleinen Anhöhe oberhalb eines Seitenarms des Liverpool River. Der Boden war aufgeweicht vom feuchten Übergang zwischen Regen- und Trockenzeit, der Regenwald dampfte in der Morgensonne, und über dem Fluss lag dieser schwere, würzige Geruch aus Wasser, Mangroven und Eukalyptus.
Mudcrabbing war kein Sport. Es war Jagd. Wir wateten bis zur Hüfte im warmen Wasser, fühlten mit den Händen unter Baumwurzeln, Steinen und im Schlamm. Wenn man Glück hatte – oder mutig war – zog man eine große, schillernd dunkelgrüne Krabbe heraus, zappelnd, mit Scheren, die keinen Spaß verstanden. Man musste schnell sein. Und entschlossen.
Einmal stieß ich auf etwas Glitschiges – ich zuckte zurück, und eine Python glitt träge aus dem Wasser, mehrere Meter lang. Ihr Blick war leer, aber nicht harmlos. Eine Erinnerung daran, dass wir hier nur Gäste waren.
Wir hatten keine Töpfe, nur Feuer und Glut. Sobald das Feuer heruntergebrannt war, legten wir die großen Krebse direkt in die heiße Asche. Ein paar Eukalyptusblätter oben drauf, dann warteten wir. Der Geruch – süßlich, rauchig – kündigte an, wann es Zeit war, mit einem Stock die gepanzerten Krebse, rußgeschwärzt, aber perfekt gegart, aus der heißen Asche zu holen.
Das Fleisch war fest, zart und von einer Wildheit, wie man sie zu Hause nicht findet. Wir knackten die Panzer mit Steinen, saugten jeden Bissen aus. Dazu: Weißwein, leicht gekühlt in einem nassen Tuch am schattigen Flussufer, aus Blechbechern mit Rußrand getrunken.
Nachmittags, als die Hitze stand und selbst die Goannas Pause machten, kam ein alter Mann den Pfad am Fluss entlang. Barfuß, mit einem zerbeulten Hut, ein Speer in der Hand. Er sagte nichts. Wir nickten, er nickte zurück. Setzte sich in den Schatten eines Melaleuca-Baums, rauchte eine selbstgedrehte Zigarette und sah lange aufs Wasser. Nach einer Weile deutete er mit dem Kinn auf unsere improvisierte Feuerstelle und murmelte: „Good country.“ Dann stand er auf, verschwand, wie er gekommen war – lautlos, selbstverständlich, eins mit dem Busch.
Goannas krochen tagsüber durchs Camp, langsam und schwer, die Zunge ständig schnappend in der Luft. Abends sahen wir ihre Spuren im Sand. Über uns flatterten Flughunde von Baum zu Baum, riesige Silhouetten mit durchscheinenden Flügeln. Einmal, im Halbschlaf, hörten wir das Knacken trockener Äste – ein Büffel vielleicht, oder nur der Busch selbst, der sich regte.
Nachts war der Himmel ein schwarzes Tuch, übersät mit Sternen, die heller leuchteten als irgendwo sonst. Wir lagen nebeneinander, lauschten dem Kratzen von Eidechsen im Laub und dem Sirren nächtlicher Insekten. Und wir fühlten uns nicht klein. Wir fühlten uns lebendig.
Arnhemland hat sich tief in uns hineingebrannt – wie der Rauch in unsere Kleidung, der Schlamm unter unsere Nägel, die Stille in unsere Köpfe.
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Australier geändert.
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